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Ein Islamdenker für unsere Zeit |
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Hadise sind Aussprüche des Gottesgesandten.
Sie zu interpretieren war immer problematischer als die Exegese des Koran, da im Fall der
Hadise die Frage der Authentizität hinzukommt.
Was mir in erster Linie an der Art der Interpretation dieser Hadis nicht gefällt ist, dass wir Muslime die Hadis öfters nicht im Einklang mit unseren Grundsätzen interpretiert haben. Das gelehrte Interesse der Muslime an dieser Hadis fokussierte sich fast ausschließlich auf Persönlichkeiten - auf die Identität der Müdscheddidin, dessen Natur (Charakter) und Notwendigkeit sind jedoch kaum diskutiert worden.
Jedoch, nichts von alledem ist eine Reflexion über die Müdscheddid-Hadis selber, und das sollte kein Grund sein, die Hadis abzulehnen, wie es einige Gelehrte getan haben. Persönlich fühle ich, dass die Argumente für und gegen die Authentizität der Müdscheddid-Hadis, während sie aufklärend in sich selbst ist, letztendlich irrelevant sind. Denn gerade wie es dem Gesandten zugeschriebene Aussprüche gibt, die ganz klar unverträglich mit dem Koran und der menschlichen Vernunft sind und die deswegen als nicht authentisch zurückgewiesen werden müssen, gibt es viele Wahrheiten, die durch Koran und der menschlichen Vernunft gestützt werden, aber die niemals in einer Hadis des Gesandten eingegliedert worden sind. Ein verhältnismäßig fehlerfreier Weg, um die Echtheit jeder beliebigen Hadis zu testen, wird vom Gesandten selber gegeben, der gesagt hat: »Was immer euch als meine angeblichen Worte gesagt wird, vergleicht das mit dem Buche Gottes: was mit dem übereinstimmt, das ist von mir, egal ob ich es wirklich gesagt habe oder nicht.« Mit diesem Kriterium sehe ich keinen Grund, die Müdscheddid-Hadis abzulehnen, und ich sehe jeden Grund, sie anzunehmen. Jedoch sage ich dies mit gewissen Einschränkungen. Der Schlüssel, um diese Hadis wenigstens im Konzept als echt zu akzeptieren, liegt in der Antiquiertheit - oder vielleicht sollte ich sagen: in der Unklarheit ihres Ausdrucks. Das arabische Wort "Mensch" oder "wer" kann entweder eine einzige Person bedeuten oder mehr als eine einzige Person. So ist uns die Möglichkeit gestattet anzunehmen, dass in jedem Zeitalter mehr als ein Müdscheddid (Erneuerer) da ist. Und die Hundert-Jahr-Spanne ist ein volkstümliches Motiv, das in vielen Kontexten vorkommt: wie die Zahlen sieben und vierzig. Es ist ein Stilmittel und sollte nicht als Hinweis eines zyklischen Musters der Erneuerung oder Reform für streng hundert Jahre erachtet werden. Ich meine, die Hadis will besagen, dass wannimmer die Notwendigkeit diktiert, Gott eine Person oder mehrere Personen inspiriert, der/die durch Leben und Werk die Realitäten des Glaubens und des Islam dem Volke zeigt/zeigen, wie sie richtig dargelegt und gelebt werden sollten: in einer Weise, die dem wahren Geist der Offenbarung und den Bedürfnissen des Zeitalters entspricht.Der Müdscheddid bewerkstelligt so zwei extrem wichtige Dinge. Erstens: Er wiederenthüllt den Koran dem Volke seiner eigenen Zeit, wie er enthüllt werden soll und wie er in der Tat vom Gesandten etwa 1400 Jahre früher enthüllt worden ist; er tut das in einer Weise, die dem Level des Verstandes der Menschen in seiner eigenen Zeit zugänglich ist, und so enthüllt er Aspekte des Koran, die dem Volke von Medina im 7. Jahrhundert verborgen waren. Dies ist für mich die wahre Bedeutung von Tadschdid (Erneuerung). Ich werde hierbei beständig an die Titelseite eines Nur-Magazins erinnert, wo geschrieben stand: Der gesegnete Prophet selber sagte, dass es gewisse Aspekte im Koran gibt, die erst in kommenden Generationen verstanden werden, und so wurde der Begriff von Tadschdid vorangekündigt. Offenbarung und Vernunft liefern also überreichliche Beweise für die Notwendigkeit und Wichtigkeit eines Müdscheddid. In der Tat, wenn der Koran die göttliche Offenbarung für alle Menschen und für alle Zeiten ist, wie seine Verse behaupten, und wenn göttliche Leitung allen gewährt wird, die geleitet werden wollen, wie der Schöpfer verspricht, dann folgt, dass in jedem Zeitalter eine Person (oder mehrere Personen) da ist (sind), deren Pflicht es ist, den Koran wiederzuenthüllen und jene Wahrheiten aufzudecken, die nur mit dem Fortschreiten der Zeit bedeutungsvoll sind. Solche Individuen sind die Ulema - und unter Ulema verstehe ich jene, auf die im Vers (Koran 35.28) angespielt wird: »Jene, die wahrhaftig Gott fürchten unter Seinen Dienern und die Wissen haben.« Und da ist nicht einfach jemand gemeint, der ein Experte auf dem Gebiete der Theologie oder der Jurisprudenz ist. Der letztere mag Wissen haben, oder er mag kein Alim im wahren, koranischen Sinne des Wortes sein. Und unter dieser Ulema gibt es unvermeidbar jene, deren Verständnis des Kosmos zum Koran größer und näher ist als das Verständnis von anderen. Sie sind die Müdscheddidin.Die Müdscheddidin als Ulema sind die Erben der Propheten, wie ein anderes gut bekanntes Wort Muhammeds a.s. aussagt. Tadschdid kann so als eine Ausdehnung des Prophetentums gesehen werden, und der Müdscheddid als ein Prophet für seine Zeit. Ich benutze das Wort Prophet wohlbewußt: ich bin sicher, dass niemand in Schlussfolgerungen hineinspringt, die nicht vorhanden sind. Klar ist, der Müdscheddid ist ein fehlbares und zuweilen brüchiges Menschenwesen; er besitzt keine der Ausrüstungen der Prophetenschaft, die von den Anbia (den Gesandten Gottes) genossen werden. Die dem Propheten gewährten Worte in der Form der Offenbarung -der Koran- ist endgültig und kann nicht verbessert werden, während die Worte eines Müdscheddid offenkundig verbessert werden können, da die Natur von Tadschdid fortlaufend ist. Die Propheten haben ein Siegel, ein Khatam, das die Müdschdeddidin nicht haben: Solange wie die Welt andauert und die Zeit fortschreitet, wird es immer neue Müdscheddidin geben, und sie werden mehr und mehr den Koran aufschließen, und sie treten an die Stelle jener, die vor ihnen waren. Undsoweiter. ... Was das heutige Zeitalter anbelangt, so ist ein Blick auf den Zustand der Muslim-Umma genug, um uns zu berichten, dass wir niemals so dringend Tadschdid gebraucht haben, wie es heute der Fall ist. Unser Problem ist nicht, dass wir keine Muslime wären - immerhin zählen wir über eine Milliarde. Unser Problem ist, dass die meisten von uns nicht glauben. Und die meisten, die glauben, glauben mangelhaft; sie glauben nicht an Gott allein, sondern auch an Partner, die sie ihm an die Seite stellen. Der Koranvers (12,106):
ist von äußerster Relevanz heutzutage und in unserem Zeitalter. Es ist nicht die äußere Zitadelle des Islam, die angegriffen wird, sondern die eigentlichen Grundlagen des Glaubens werden angegriffen.
Dies ruft nach einer Schau der Realität, die sich an die menschliche Vernunft wendet, sowie an das Herz und andere Fähigkeiten. Dies ruft nach einem Verständnis des Buches der Schöpfung, die Intellekt und Geist befriedigt. Die gegenwärtige Zeit ähnelt der Zeit der Unwissenheit (Asr-al-dschahilliya), die der Offenbarung des Koran voranging. Dies ist das Zeitalter von ENE (= Ich-Sucht, Ich-Kult), das Zeitalter, da die Nefs-alammara (Egoismus) wild ausgeufert ist, und das Zeitalter der Rekonstruktion des menschlichen Individuums - das Wiederbekleiden des Menschengeistes in den gott-reflektierenden Gewändern des Glaubens, der Hingabe und der Aufrichtigkeit (Iman, Islam, Ihsan). Dies ist die Aufgabe des Müdscheddid heutzutage. In den vergangenen fünfundzwanzig Jahren gab es viel Gerede über die 'islamische Wiederbelebung', über islamische Regierungen, über die Wiedereinführung islamischer Gesetze. Wir haben sogar eine 'islamische Revolution' gesehen (die iranische). Die Worte 'Muslim', 'Islam' und 'islamisch' sind überall. Aber kaum hören wir Worte wie 'Gott' oder 'Glaube'. Deswegen steht das Risale-i Nur so einsam da. Aber bevor wir uns mit dem Risale-i Nur beschäftigen und mit seinem Autor, lasst uns die folgende Bemerkung betrachten, die eine Definition des Müdscheddid beinhaltet:»Die hohen Diener der Religion, die gemäß dem Wort des Gesandten zu Beginn eines jeden Jahrhunderts auftreten, sind keine Innovatoren, sondern sie sind Nachfolger (Anhänger). Das heißt, sie schaffen nichts aus sich selbst, sie bringen keine neuen Bestimmungen; sie justieren und stärken die Religion, indem sie genau zu den Ursprüngen und Bestimmungen der Religion und zur Sunna, der Lebenspraxis des Gottesgesandten Muhammed a.s. zurückkehren; sie verkünden die wahre und ursprüngliche Bedeutung der Religion; sie beseitigen und vernichten die grundlosen (niedrigen, gemeinen) Dinge, die sich hineingemischt haben; sie erwidern und zerstören Angriffe gegen die Religion; sie bringen göttliche Gebote zur Anerkennung und verkünden und machen bekannt den Adel und die Erhabenheit der göttlichen Bestimmungen. Ohne dass sie die Grundposition und den ursprünglichen Geist zerstören und beschädigen, vollführen sie ihre Aufgaben durch neue Methoden der Überzeugung, die dem Verständnis des Zeitalters angemessen sind; und sie operieren in neuen Wegen und mit neuen Details.« (Şualar, 563) Diese Definition der Funktion eines Müdscheddid ist nun gegeben. Und wer das Risale-i Nur studiert, hat keine Mühe, die Zeichen von Tadschdid und den Stempel des Müdscheddid auf jede der sechstausend Seiten zu finden. Denn das Risale-i Nur ist ein Kommentar für unsere Zeiten über die Schätze des Koran. In der Tat, wenn wir den Koran als Leitbuch zum Kosmos verstehen, so ist das Risale-i Nur ein Leitbuch zum Koran. Korrekt begreifend, dass die schrecklichste Krankheit im gegenwärtigen Zeitalter der Unglauben ist, macht sich der Autor des Risale-i Nur daran, die zentralen Lehren des Koran zu erklären, gegründet auf Kriterien, die vom Koran selber gesetzt sind (tafsirul-Quran bil-Quran), und so sagt der Autor nichts aus sich selbst. Der Hauptunterschied zwischen dem Risale-i Nur und den anderen Exegese-Werken ist, dass das Risale-i Nur Vorrang gibt der Glaubensfrage durch Forschung (tahqiqi iman) plus der Tatsache, dass es in Termen spricht, die relevant für den Menschen des 20. Jahrhunderts sind. Soweit mir bekannt ist, ist das Risale-i Nur der einzige umfassende Körper an Koran-basierenden Lehren in der heutigen Zeit, der sich hartnäckig mit den Problemen der Menschen in Glaubenstermen beschäftigt. Ein Verständnis von Iman (Glaube), warum es für uns notwendig ist, den Glauben zu nähren und zu steigern, ist wesentlich für den Menschen, um der Drohung der Vernichtung zu entrinnen: Ich glaube, dass das Risale-i Nur uns dieses Verständnis gibt. Den Nicht-Gläubigen zeigt es die Vergeblichkeit des atheistischen Unglaubens. Den Gläubigen zeigt es den Weg, in dem sie ihren Glauben wiederbewerten, wiederbestätigen und steigern können. Dieser letzte Punkt ist von äußerster Wichtigkeit, denn der allgemeine Niedergang der islamischen Welt war verursacht nicht durch irgendwelche Unverträglichkeit mit Implikationen, die durch gewisse wissenschaftlichen Fortschritte behauptet wurden, wie das teilweise der Fall mit dem Christentum war. Vielmehr ist der Niedergang in der islamischen Welt das Ergebnis der Schwäche der Muslime, ihren Glauben zu stützen. Es ist eine Tatsache, dass der Westen nur deswegen materiell voranschreiten konnte, weil das Christentum an den Rand gedrückt wurde. Aber in der islamischen Welt verursachte das Aufgeben der Religion nur Niedergang - ein Niedergang, der noch rund um uns zu beobachten ist und gegenwärtig wenig Zeichen zeigt, zu Ende zu sein. Eine unserer Hauptschwächen war, wie wir bereits gesehen haben, der ungehörige Anstieg der Betonung zweitrangiger Themen (Feri); und der Vernachlässigung der Grundlagen. Kurz, ich möchte dies sagen: Nach vielen Jahren des Forschens und des Vergleichens ist meine Meinung diese,
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Ich bin überzeugt, dass sich der Autor des Risale-i Nur ganz zweifelsohne für den Titel eines Müdscheddid qualifiziert. Ich weiß nicht, ob er der einzige Müdscheddid in diesem Zeitalter ist oder ob das Risale-i Nur das einzige Werk von Tadschdid ist. Um zu wiederholen, was ich früher gesagt habe, so kann ich nur sagen, dass ich nach einer Suche meines halben Lebens keinen anderen gefunden habe, der den Titel eines Müdscheddid mehr verdient als der Autor des Risale-i Nur. Nachdem ich dies geäußert habe, muss ich betonen, dass ich mich hiermit nicht nur befasse, um eine Lobrede auf Bediuzzaman Said Nursi zu halten. Wie er selber wiederholt betont hat, ist es nicht der Mann, der wichtig ist, sondern die Botschaft, die er bringt. In diesem Kontext möchte ich eine Sache zu jenen Schülern des Risale-i Nur in der Türkei sagen:
Für sie wurde der Islam irgendwie ihr Eigenes, ihr kulturelles Anhängsel, ihr Besitz. Die Schüler des Risale-i Nur müssen sich hüten, in diese Falle zu treten. Die Tatsache, dass ein Müdscheddid aus eurem Weltteil auftauchte, aus eurer Gemeinschaft, ist kein Grund für Selbststolz oder Selbstruhm. Wenn überhaupt, so sollte diese Sache euren Sinn für Verantwortung erhöhen, denn da ihr dem Risale-i Nur am nächsten seid, ist es eure oberste Pflicht, dessen Botschaft auszubreiten, und als seine Gesandtschafter und Repräsentanten zu handeln.
Zu jenen Muslimen, die keine Schüler des Risale-i Nur sind, möchte ich eines sagen:Schaut ihr nach einem Weg zu Gott, der gesund und sicher ist, erprobt und getestet, dann nähert euch dem Risale-i Nur mit einem offenen Verstand und mit einem offenen Herzen: Ihr habt nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. |
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